Dienstag, März 13, 2007

Argentinien

Argentinien

Beverly. Geburtstag. Schokolade.
Freitag 12.01.2007 bis Sonntag 21.01.2007

Nach gutem Fruehstueck und Zeltzusammenbau geht es dann auf den heute kurzen Abschnitt nach San Carlos de Bariloche, der Schokoladenhauptstadt Argentiniens (oder der Welt ?). Der mich in den naechsten Wochen begleitende Wind macht sich auf den letzten 20 km schon mal kraeftig von der Seite bemerkbar. Doch da es nicht mehr weit bis B. ist, habe ich nur Augen fuer die herrliche Berglandschaft Argentiniens und fotografiere (auch in den naechsten Tagen) mehr als sonst.
Am Ortseingang treffe ich Beverly Wagner, eine 60-jaehrige (!) Radfahrerin (Amerikanerin aus Seattle, die aber 9 Monate im Jahr in Bolivien lebt, wenn sie nicht gerade mit dem Rad unterwegs ist, wie jetzt). Fuer Samstag lade ich sie in das groesste Schokoladengeschaeft "del Tourista" zu einer Geburtstagsrunde ein. Sie uebernachtet in einem Camp, waehrend ich mich - wie ihr es mir alle empfohlen habt - in einem guten 3-Stern-Hotel mit Seeblick und -zugang einmiete.
Ausser der kleinen "Party", leiste ich mir an dem Tag noch Torte, Kakao und Pralinen und am naechsten Tag ebenfalls, sowie am Abend ein gutes Essen im Hotel (allerdings) mit Weisswein (Rotwein folgt beim Abschluss in Ushuaia). In Bariloche findet man ein Schokoladengeschaeft am anderen und auch einige herstellende Fabriken. Wer es sich leisten kann (ich meine vom Gewicht), sollte mal nach Bariloche fahren - ist uebrigens auch Skizentrum im Winter (in Europa Sommer).
Morgen am 15. Januar geht es weiter nach Sueden auf der gehassten, "geliebten", stets windigen und zum grossen Teil "schottrigen" Staatsstrasse 40. Die 40 zu fahren gilt (unter Motorradfahrern und erst recht unter Radfahrern) als Herausforderung. Auch das werde ich ueberstehen (hoffe ich).

Die "40" ist stärker als ich. Zur Atlantikküste.
Fortsetzung am Sonntag 21.01.2007 in Sarmiento
Ich hab die Herausforderung nicht angenommen ! Es war einfach nicht moeglich, auf dem Schotter zu fahren. Schon an einem kleinen Huegel (und groessere waeren erst noch im Verlauf der "40" gekommen), blieb ich mit den schmalen Reifen einfach im groben Sand stecken. Ein Aufsteigen war so gut wie nicht moeglich und die Gefahr eines unfreiwilligen Abstiegs ist zu gross (hab mir schon dreimal das rechte Knie dabei aufgeschlagen - immer wieder auf die selbe Stelle, aua !). Fuer diese Strecken braucht man tatsaechlich ein Mountain-Bike mit breiten Reifen. Alle, die ich kenne oder die mir begegnet sind, hatten diese Ausruestung. So entschloss ich mich gestern, nach Osten auszuweichen und an der Atlantikkueste (!) weiterzufahren. Dort gibt es in Argentinien eine asphaltierte Strasse fast bis Ushuaia, nur 100 oder 200 km Schotter (sonst waeren es ueber 1.000 km gewesen). Wie man nach Feuerland kommt, ist ja egal, Hauptsache man kommt. Natuerlich verpasse ich dabei einige schoene Landschaftsgebiete in Argentinien. Doch ich kann von Puerto Natales aus - wenn es sich zeitlich machen laesst, da ich ja jetzt ein paar Tage "raushole" - noch einmal in das Gebiet von Torres del Paine "eindringen" und auch irgendwie zum Moreno-Gletscher gelangen, um mir diese Glanzstuecke der Natur nicht entgehen zu lassen.
Zwischen San Carlos de Bariloche und Sarmiento, wo ich heute einen Ruhetag eingelegt habe, bin ich ebenfalls durch eine herrliche Landschaft gefahren, einen Tag zusammen mit Mariano, einem Argentinier, der seine erste grosse Radtour machte. Erica und Ryan, ein schweizerisch/amerikanisches Paerchen begegnete ich auf dem Weg von Ushuaia nach Alaska (1 1/2 Jahre) und in einem Ein-Wohnhaus-Dorf traf ich ueberraschend auf eine deutschsprechende Argentinierin.
Die Pampa hat auch ihre Reize, allerdings sind durch die duenne Besiedlung dieses Gebietes auch Ortschaften mit Tankstellen oder kleinen Restaurants nur in sehr grossen Entfernungen voneinander (ca. 100 km) anzutreffen und man muss sich ausreichend mit Verpflegung und Trinkwasser eindecken. Uebernachtet hab ich dabei meist im Zelt, umgeben von der Einsamkeit der Pampa. Der Wind weht hier ausschliesslich aus westlicher Richtung, so dass ich ihn - wenn ich mich jetzt nach Osten bewege - meist von hinten haben werde (ist auch mal ganz schoen) । Wie es an der Atlantikkueste ist, wird sich zeigen.

Steaks. Begegnungen. Wind.
 
Montag 22.01.2007 bis Montag 29.01.2007:
Ich haette heute ja gern wieder ein paar Bilder von Argentinien eingegeben, da ich mir diesen Tag extra fuer die Arbeit im internet-Cafe genommen hatte. Aber leider ist es hier etwas schwierig, hoffe aber, es vor Beendigung der Tour noch realisieren zu koennen.
Dafuer heute eine ausfuehrlicher Textteil.
Der Montag (22.02.) bringt am Abend gleich wieder eine erzaehlenswerte Begegnung. Der Reihe nach: Dieser Tag hat mit ueber 700 Hm zwar auch seine Steigungen, ist aber dann auf der Altiplana lange Strecken flach. Die Strasse fuehrt durch ein riesiges Erdoelfeld.
Rechts und links arbeiten die Erdoelpumpen leise und fast geisterhaft. Fuer mich hat so eine Erdoelpumpe immer etwas Mystisches, Unheimliches an sich, wie von Geisterhand bewegt, foerdert sie das millonen Jahre alte Oel aus der Tiefe und macht unser taegliches Leben damit erst zu dem, was es ist. Wie lange wird dieser Reichtum wohl noch vorhanden sein ?
Der Wind weht nicht allzu stark mal von vorn, mal von hinten, aber ertraeglich. Als Mittagessen bekomme ich an diesem Tag erstmals zwei richtig dicke argentinische Steaks (das gibt Kraft). Danach geht es leicht bergauf und -ab. Comodore Rivadavia ist eine groessere Stadt und ich muss wieder einkaufen und will dann noch - da es noch zeitig und lange hell ist - ein Stueck aus der Stadt hinausfahren, da ich einen Hinweis fuer Uebernachtungs-Cabinas gesehen hatte. In der Kaufhalle frage ich einen Mann, der sich staunend mein Rad ansieht, danach. Er kennt aber nichts. So fahr ich erst mal los. Etwa 3 km weiter steht dieser Mann mit seinem Auto an der Strasse. Er macht mir klar, dass ich halten und ihm folgen solle. 5 Blocks weiter hat er sein "Office" (er ist Fuhrunternehmer), da koenne ich auch schlafen. Ich folge ihm und hab eine Uebernachtung, kann duschen und zur Ueberraschung bereitet er uns beiden noch je ein Steak (das dritte an diesem Tag, das ich esse). Aber er und ich muessen am nächsten Morgen um 6 Uhr das Buero verlassen, weil er wegfahren muss. So zeitig war ich bisher nur einmal auf der Strecke. Bedeckt, etwas kuehl, aber angenehm. Und die etwa 150 km heute werde ich ohne weiteres schaffen. Bis Mittag ist ja alles gut. Starker Seitenwind mit kleiner Rueckwindkomponente machen das Fahren zwar nicht einfach, aber man kommt vorwaerts. Wieder mal hab ich die Rechnung diesmal ohne den Wind gemacht. Nach dem Essen in Caleta Olivia steht der Wind voll von vorn. 6-7 km/h - meine Geschwindigkeit. 75 km haette ich an diesem Tag noch zu fahren gehabt. Er treibt mich auf die andere Strassenseite (wo ich dann aus Sicherheitsgruenden fuer mich weiterfahre und entgegenkommenden Autos - es sind zum Glueck nicht viel - auf den Randstreifen ausweiche). 3 x wirft mich der Wind um, ich verletze mich leicht an Knie, Wade und Schienbein. Nach 40 km gebe ich auf. Aber wo und wie das Zelt aufbauen ? Unter einem Brueckendurchbruch (ohne Wasser nur fuer Notfaelle bei sehr starkem Regen) von 2x2 m kann ich gerade so mein Zelt errichten - windgeschuetzt. Hier hatte ich die Befuerchtung: "Wenn das der gehasste, kalte Patagonienwind ist und es so weitergeht, dann musst du tatsaechlich noch aufgeben !" Am naechsten Morgen - der Wind wie "weggeblasen". Sonnenschein. Es rollt und mit 176 km an diesem Tag hole ich den "Verlust" vom Vortag wieder auf. Von 2 deutschen Radfahrern (Harry aus dem Schwarz- und Olaf aus dem Spreewald - die ersten die ich hier im Sueden treffe - auf Argentinientour), erfahre ich, dass sie am Vortag ein starkes Unwetter hatten, so dass "mein" Wind "nur" eine Erscheinung am Rande der Gewitterfront war. Sie informieren mich auch noch, wo ich eine gute Uebernachtungsmoeglichkeit an einer Tankstelle auf dieser Strecke finde. Das Hotel ist zwar besetzt, aber eine schoene Zeltmoeglichkeit und ein gutes Restaurant (wieder Steak), machen den Aufenthalt angenehm. Ach, an diesem Tag war da noch eine Begegnung unterwegs: Louis, Antonio-Carlos und Vitor, drei Brasilianer (einer davon promovierter Kernphysiker) - auch auf (Auto)Tour - halten an und wollen unbedingt ein Foto von mir machen. Als "Honorar" bekomme ich 6 grosse Nektarinen und Orangensaftpulver.
Als ich am naechsten Morgen gefruehstueckt und Zelt zusammengebaut habe, will ich noch einen "Kaffee con Leche" trinken, da steht ein Reiserad vor dem Tankstellenrestaurant. Drin sitzt Ted, ein baertiger Radfahrer aus Holland. Natuerlich sind wir gleich im Gespraech. Er ist auf Argentinien-Tour (7.000 km) und faehrt nach Norden, ist auch schon mal rund um Australien (21.000 km) und Alaska-Panama gefahren, war mit dem Rad in China und wer weiss wo noch, was er mir nicht erzaehlt hat. Er beabsichtigt von Wladiwostok aus, Russland "aufzurollen". Und nun staunt: er ist 4 Wochen aelter als ich !
Es lauft an diesm Tag wieder gut und die Hinweise von Ted zu Strecke und Windverhaeltnissen sind mir nuetzlich, wobei er meint - und diese Erfahrung hab ich inzwischen auch gemacht -, dass man hier das Wetter und die Windrichtung nie voraussagen kann. Gestern hatte er auf meiner heute bevorstehenden Strecke Rueckenwind, heute hab ich Seitenwind mit starker Rueckenwindkomponente und ich fahr in entgegengesetzter Richtung. Ich komme bis Pt. San Julian einer kleinen Hafenstadt, mit touristischen Attraktionen. Am naechsten Morgen mache ich mit einem Schlauchboot hier noch eine Exkursion zu einer Pinguininsel (auch das hatte mir Ted empfohlen), fotografiere einige der 37.000 hier lebenden Pinguine, sehe Comorane und Delfine. So komme ich erst Mittag weg. Die 130 km sollten gerade noch zu schaffen sein (es ist bis 22 Uhr hell). Wieder ist es der Wind, der mir einen Strich durch die Rechnung macht. Nach 5 1/4 Std. bin ich 53 km gefahren. Ich gebe wieder mal auf und muss mir einen einigermassen windgeschuetzten Zeltplatz suchen. Hab ja schon Erfahrung mit Bruecken. Diesmal ist der Querschnitt ueberall aber nur 1x1 m. Doch der Hangeinschnitt (oder wie nennt man das brueckbautechnisch ?) bietet einen Windschatten, der es auch dort moeglich macht zu zelten. Nach dem Abendbrot schlafe ich auch hier - wie zwei Tage zuvor - ausgezeichnet. Nun wird die naechste Etappe nur eine Kurzetappe bis zum urspruneglichen Vortagesziel (Piedrabuena bei Puerto Santa Cruz - das wievielte Santa Cruz wohl schon auf meiner Tour ?). Es ist ein schmuckes kleines Staedtchen mit einem ausgezeichneten fast familiaeren Zeltplatz.
Die Strecke am naechsten Tag ist etwas problematisch। Der Wind wird mich zu 2 x 125 km (oder weniger) zwingen und ich muss unterwegs irgendwo zelten, denke ich. Doch es gibt auch Ueberraschungen. Nachdem ich die ersten 100 km in genau 6 Stunden gefahren war (eine fuer die hiesigen Verhaeltnisse noch akzeptable Geschwindigkeit), hab ich den Wind von hinten - 100 km in 3:55 Std. So beschliesse ich noch 50 km dranzuhaengen und bis Rio Gallegos zu fahren - der letzten groesseren Stadt vor dem kurzen Wiederuebertritt nach Chile - wohl wissend, dass die letzten 27 km hart werden, weil die Strasse da im rechten Winkel abbiegt und der Wind von vorn kommt. So war es auch und ich brauchte noch ueber 2 Stunden fuer diese Strecke. Um 23 Uhr hatte ich ein (gutes) Hotel und beschlossen, heute Pause zu machen. 29 km vor dem Tagesziel sah ich auch erstmals einen Wegweiser "Ushuaia 749 km"). Von hier sind es nun nur noch 720 km, davon allerdings 210 km "Schotter". Trotzdem, es ist bald geschafft.

Die vier Feinde des Radfahrers
 
Wenn man taeglich 8 und mehr Stunden auf dem Rad sitzt, macht man sich seine Gedanken. Man lernt Freunde und Feinde kennen. Heute moechte ich mal die 4 Feinde des Radfahrers beschreiben.
Es sind Schotter, Wind, Berge und Regen (Reihenfolge ist Rangfolge).
1. Schotter
Das ist der Schlimmste. Er liegt auf der Strasse oder vielmehr, er ist die Strasse. Er grinst dich an, tut ganz unschuldig. "Komm fahr nur auf mir, ist kein Problem". Und du laesst dich darauf ein. Bis er nicht nur als einzelner kleiner Stein auftritt oder als durchaus fahrbare Laengsrille. Nein jetzt sind es Querrillen, die dein Rad und dich huepfen lassen und die Steine sind massenweise grosse und kleine Steine, Kiesel, die dich mit dem Rad versinken lassen. Jetzt packt er dich. Sein Grinsen geht in ein hoehnischen Knirschen ueber. Das Vorder- und/oder Hinterrad rutscht weg und du fliegst auf die Fresse, und immer auf die selbe Stelle (dreimal auf das rechte Knie).
Er ist unberechenbar, du weisst nicht, ob er dich erst narrt und unschuldig, glatt und fest ist/zu sein scheint und nach 100 km in seiner gemeinen Form auftritt. Ich hasse ihn. Er ist immer schlecht.
Es sei nicht verschwiegen, dass es auch "Schotterwege" gibt, die glatten Waldwegen gleichen, auf denen man fast so schnell, wie auf Asphalt fahren kann, aber diese sind hier eher selten.
Strassen mit (vielen) Schlagloechern zaehlen auch hierzu, sie offenbaren aber ihre Schlechtigkeit allein schon durch ihr Aussehen.
2. Wind
Oh, du Schelm. Er spielt mit dir. Immer. Mal tritt er in seiner gemeinen Form als (starker) Gegenwind auf und macht das Vorwaertskommen zur Qual oder fast unmoeglich. Mal kommt er von der Seite und schiebt dich auf die andere Strassenseite. Manchmal schiebt er dich dabei auch ein bisschen vorwaerts.
Er kann aber auch lieb sein. Er kommt als Rueckenwind und macht das Radfahren zum Vergnuegen, aber nicht automatisch nach einem Gegenwind, sondern so wie er will.
Wie gesagt, er ist wie ein Kind, er spielt mit dir, ist dabei aber unberechenbar.
3. Berge
Sie sind solide und hart, ehrlich und fair. "Hier stehe ich, komm, bezwinge mich, kletter auf mich hinauf". Sie sind voll berechenbar. Und wenn du sie bezwungen hast, belohnen sie dich immer mit einer (rasanten) Abfahrt, wenn da nicht gerade der Wind als Gegenwind mit dir spielt und dich bei der an sich steilen Abfahrt nicht schnell werden laesst. Und die Freude schwindet auch, wenn die an und fuer sich gut gemeinte Abfahrt dann eine Schotterstrecke ist und du deine rasante Fahrt abbremsen musst.
4. Regen
Der Regen ist eigentlich kein richtiger Feind। Du kannst dich vor ihm schuetzen. Er verlangsamt deine Geschwindigkeit nicht automatisch, nur wenn er zusammen mit den anderen Feinden, oder als Eisregen auftritt, dann ist er unangenehm. Er kann dein Freund sein. Wenn du in Tropenhitze geschwitzt hast und ein leichter Regen faellt, dann ist es geradezu ein Genuss, in/mit ihm zu fahren. Wenn du dich bei starkem (warmen) Regen an ihn gewoehnt hast, wird er dir zum Freund und beschleunigt deine Tritte (weil du schnell ans Ziel willst).

Der Schluss.
 
Dienstag 30.01.2007 bis Samstag 03.2.2007
Am Dienstag 30.01. hab ich noch mal einen tollen Tag. Es werden 173 km, das liegt aber an den Windverhaeltnissen. Er blaest mich regelrecht vorwaerts. Nach der Grenze (Argentinien wieder zu Chile) ist eine neue Betonstrasse und das Radfahren wird zum Vergnuegen. Doch nicht uebermuetig werden ! Die Strasse macht einen grossen Bogen und der starke Wind kommt von der Seite und schliesslich von vorn. Da merkt man erst einmal, was man bisher gehabt hat. Es ist nicht zu fahren. Die Karte verraet mir, dass die Strasse nach ca. 10 km rechtwinklig abbiegt und ich dann Rueckenwind haette. Also das Rad erst einmal schieben. 8 km stemme ich den Koerper gegen das Rad. Wenn ein Lastauto (und die sind riesig gross) kommt, bleibe ich stehen, ducke mich und halte es fest, damit es und ich durch die Luftwirbel nicht umgeworfen werden. Dann kommt die Abbiegung ! Ohne einen Tritt fahre ich die ersten 5 km mit einer Geschwindigkeit von 45 km/h. Die restlichen 12 km bis zur Faehre (ueber die engste Stelle der Magallan-Strasse) tun es auch nicht unter 30 km/h. Dort treffe ich ein Paerchen aus Erfurt. Sie haben "alle Zeit der Welt, nur nicht alles Geld" und sind zwei Jahre von Alaska nach Feuerland gefahren, jetzt warten sie den Sommer ab, ehe sie nach Deutschland zurueckkehren. (Ende März - kommt ein Freund zu mir und erzählt mir, dass er bei einer Radtour Anfang März ein Thüringer Pärchen getroffen hatte, die mit dem Rad von Frankfurt nach Erfurt unterwegs waren. Sie hatten mich getroffen und waren doch etwas eher von Südamerika zurückgekommen. - So klein ist die Welt). Auf der Faehre spricht mich ein argentinischer Autofahrer an; wir verabreden uns auf ein "Cerveza" (Bier) in Ushuaia. Nach der Faehre soll eigentlich Schotterstrasse sein, aber zu meiner Freude hat man fast 40 km (bis zu meinem Tagesziel) asphaltiert. Die letzten 5 km geht es an diesem Tag noch einmal gegen den (nicht mehr so starken) Wind. In einem kleinen Ort (Cerro Sombrero - Berg wie ein Sombrero, Name gefaellt mir) finde ich eine schoene "Hosteria" und bekomme am Abend 1/2 11 noch ein excellentes Abendbrot (natuerlich Steak) und ein grosses (1 l) Bier.
Der naechste Tag zeigt mir, dass ich mich nicht zu zeitig freuen soll.116 km Schotter sind angesagt und der ist wirklich schlimm. Es ist hundekalt und regnet ein bisschen, das hat allerdings den Vorteil, dass der Staub gebunden wird und man nach Passieren eines LKW´s nicht 5 min lang Staub einatmen muss. Am Abend tun mir die Rueckenwirbel weh und unter Schmerzen bewaeltige ich die letzten 10 km [Schotterstrassen in dieser Laenge sind wirklich nur mit einem (gefederten) Mountain-Bike schadlos zu ueberstehen]. 300 m vor der chilenischen Grenzkontrollstelle finde ich ein Hotel (und muss nicht noch das Zelt aufbauen) und esse dort gut Abendbrot - natuerlich butterweiches Steak.
Der naechste Morgen bringt wieder einen Wind bisher unbekannter Staerke - aber ich hab ihn als Rueckenwind. Auf den 16 km Schotter bis zur wieder argentinischen Grenzkontrolle, muss ich das Rad mitunter bremsen, weil ich auf diesem Strassenbelag nicht zu schnell fahren kann. Ich treffe ein Paerchen aus Oesterreich, die den Wind von vorn haben, Stefan (38) und Anita (23) sind mit einem Tandem (mit Trailer - einachsiger Anhaenger) auf Weltreise (!), seit 2004 unterwegs und wollen 2008 aufhoeren. Nach der Grenzstation rollt es mit dem Rueckenwind, wie noch nie erlebt [teilweise 50 (in Worten: fuenfzig) km/h, ohne zu treten]. Da wird es schon langsam schwierig, das Rad richtig auszusteuern. Einmal habe ich Gegenwind, weil die Strasse beim Ueberqueren eines Flusses einen Bogen machen muss. Es heisst absteigen und laufen, 600 m in 13 min. Ich glaube, das sagt alles. Als ich nach 3 1/2 Std. (fuer 99 km) Mittag in Rio Grande bin, ist es aus, denn es waere erforderlich erst mal ca. 10 km gegen den Wind zu fahren. Einfach nicht mach-/fahrbar !!!. Selbst beim normalen Laufen auf der Strasse muss man sich gegen den Wind stemmen und kommt kaum vorwaerts. Ich uebernachte in einem Szene-Hostal und werde dort nett aufgenommen. Der Wind hat am naechsten Morgen etwas nachgelassen, weht aber immer noch kraeftig. Nach der ersten Stunde (9 km) ist das Schwerste an diesem vorletzten Tag meiner Tour ueberstanden, doch der Wind kommt weiterhin nur von der Seite und von vorn, so dass ich fuer 130 km fast 9 Stunden benoetige. Ich uebernachte im Zelt auf einer Estancia, fahr am naechsten Tag die restlichen reichlich 100 km. Dabei bekomme ich noch mal gezeigt, was es bedeutet, auf Feuerland Rad zu fahren: 8º C, Regen, viele Steigungen, 2 Serpentinenstrecken aber - zum Glueck - kein Wind.

Statistik:
2.597 km (+ 26 km), 8.575 Hm, 151:16 Std. (193:05 Std.)18 ½ Fahrtage, 4 ½ Ruhetage139 km/Tag, 17,2 km/Std., 462 Hm/Tag, 330 Hm/100 km
Tourverlauf:
San Carlos de Bariloche - Tecka - Jose San Martin (258, 40) - Sarmiento (20) - Comodoro Rivadavia (26) - Fitz Roy (Ort !) (3) - weiter auf der "3" bis Rio Gallegos - bis zur Grenze (Monte Aymond) (3) - Grenze dann bis Punta Delgada (255) Abbiegen zur Faehre ueber die engste Stelle der Magallanstrasse (258) - Cerro Sombrero - Grenze bei San Sebastian (258) - Rio Grande (3) - Tolhuin - USHUAIA (3) SCHLUSS.

Geschafft GESCHAFFT !!!

Nach 248 Tagen (mit Ruhetagen) wurde am 3. Februar 2007 um 16.00 Uhr - etwas frueher (aber ich glaube ganz schoen kraeftig) als geplant - Al Feu geboren
25.828 km lang
116,275 km hoch (116.275 Hoehenmeter)
ca. 8 kg schwer (Gewichtsverlust des Vaters)
Vater wohlauf

und am Abend ihre Geburt gebuehrend mit einem guten Essen (natuerlich butterweiches Steak mit guten Kartoffeln und sehr schmackhafter Sosse; Schokolade mit Puddingsosse), Rotwein und Sekt gefeiert. Die oertliche Presse hat um ein Interview gebeten.

Mit dieser Fahrt bin ich
- der erste, der die Tour Alaska-Feuerlander 2007 beendet und erst 2006 begonnen hat
- einer der aeltesten (u.U. der aelteste), der diese Tour in so kurzer Zeit gefahren ist
- einer der wenigen, der unter 250 Tage dazu benoetigt hat.
Und ich habe bei Vorbereitung und Durchfuehrung keine Unterstuetzung Dritter in Anspruch genommen.

ABER danken muss ich dafuer in erster Linie meiner Frau, jedoch - und das war fuer mich wirklich wichtig und ich schaetze es ungemein - auch allen, die mir geschrieben oder mich haben gruessen lassen. Wenn ich manchmal verzweifelt war, weil es nicht so lief/rollte, wie ich es mir vorgestellt und geplant hatte (besonders in Alaska, aber auch in Peru, Bolivien und sogar in Argentinien), dann half es mir zu wissen und wahrzunehmen, dass ihr mich moralisch unterstuetzt, mit mir leidet und euch ueber mein Vorwaertskommen freut. Dann habe ich gedacht: "Du kannst jetzt nicht aufhoeren, du bist es (ihnen) einfach schuldig, dass du dich quaelst und durchhaelst." Diese emotionale Seite ist nicht ganz unwichtig, dafuer sage ich DANKE ! Ich hatte in der ersten Version hier geschrieben, dass ich manchmal "die Schnauze voll hatte", aber beim Nachdenken darueber, merkte ich, dass es eigentlich nicht so war. Nur manchmal war ich etwas "down" und hatte "einen Moralischen". Doch mit der Zeit verblassen diese "negativen" Erinnerungen und man erinnert sich nur noch der schoenen Seiten dieser phantastischen "Wahnsinnstour ".

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